Sie war zu gut für diesen Laden
Wenn Wahrnehmung keine Pause kennt
Es war an der Kasse bei Aldi. Eine lange Schlange, gespannte Gesichter, die Luft zum Schneiden. Dann ein Ruf eines älteren Mannes aus der Reihe: „Junge Dame, können Sie bitte mal dafür sorgen, dass eine zweite Kasse aufmacht?!“
Die Auszubildende, jung, freundlich, sichtbar bemüht, greift sofort zum Funk. Und dann kommt sie. Die Kollegin. Alt eingesessen, die Haltung zynisch, der Ton böse.
Sie blickt zu ihrer jungen Kollegin und sagt laut genug für alle: „Die Jugend ist nicht mehr so schnell. Die wollen auch gar nicht mehr. Ohne uns könnte der ganze Laden dichtmachen.“
Der Rufer grunzt selbstzufrieden. Andere schweigen. Und die Auszubildende steht da. Kurz vor dem Weinen.
Ich habe sie schon oft gesehen. Immer freundlich, zuvorkommender als ihre Kollegen. Und jetzt steht sie da, getroffen von einer Welle aus Geringschätzung, mitten im Berufsalltag, mitten im Öffentlichen. Kein Mensch sagt etwas.
Alle nehmen den Angriff als beiläufige Wahrheit hin. Die Kollegin triumphiert, der alte Mann sonnt sich in seinem Urteil. Und die junge Frau? Schweigt - und senkt den Blick.
Ich hätte etwas sagen können. Aber ich war zu spät.
Aber als ich an der Reihe bin, sehe ich sie an und sage nur: „Sie sind nicht langsam und machen das sehr gut. Und ich finde, Sie sind sehr freundlich.“
Sie lächelt traurig. Nur kurz. Aber es war da.
Eine Woche später war sie weg. Ich hoffe, sie hat erkannt, was ich auch gespürt habe: Sie war zu gut für diesen Laden.
(Was andere überhören, trifft manche von uns mitten ins System - nicht weil wir empfindlich sind, sondern weil wir mit ADHS getaktet sind auf Zwischentöne: auf die Miene, die Wirkung, das, was keiner sagt - aber alles verändert. Nicht besser. Nicht moralischer. Nur anders verschaltet.
Wir reagieren nicht, weil es immer wichtig ist. Wir reagieren oft, weil wir’s nicht ausgeblendet kriegen.)
