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Kindheit und Schule mit ADHS

Erinnerungen an eine Kindheit zwischen Chaos, Lehrern und kleinen Fluchten

Junge mit ADHS präsentiert strahlend ein Planetenbuch – Sinnbild für Hyperfokus und frühe, intensive Interessen.

„Wir wissen nicht, was mit ihm los ist.“
Das war der Satz, den meine Eltern nach jedem Elternsprechtag mit nach Hause brachten.
Und nach jedem Anruf der Klassenlehrerin.
Es ging früh los.
Grundschule. Ich war oft Klassenbester.
Und gleichzeitig aggressiv.
Unbegründet. Unverstehbar. Für andere. Für mich.
Ich rief ständig rein.
Ich schlug.
Ich bekam Schläge zurück.


Nicht immer aus Wut – manchmal nur, weil etwas raus musste.
Nicht selten hatte ich vormittags eine Prügelei auf dem Schulhof –
und saß mittags mit einem Freund am Küchentisch,
ein blaues Auge, aber hochkonzentriert beim Anlegen eines Ordners über das Planetensystem.
Die Planeten in der richtigen Reihenfolge – das war wichtig.
So sah mein Alltag oft aus: scharfe Kontraste, innerhalb weniger Stunden.
Morgens Streit auf dem Schulhof.

Bevor es nach Hause ging, schnell noch die Dinosaurier- und Planetenordner vergleichen.
Mittags Streit mit meiner Mutter,
weil ich nicht ihren Anweisungen folgen wollte – oder besser: konnte.
Strafen über den ganzen Tag.
Missverstehen als Grundrauschen.


Und dann dieser Tag in der Grundschule:
IQ-Test mit der ganzen Klasse.
Gute Noten, schlechtes Ergebnis.
Die Lehrerin war überrascht – und genau das traf mich.
Nicht die Zahl. Nicht der Test.
Sondern dieses plötzliche Sortieren in eine Schublade, aus der ich nicht mehr herauskam.
Sie meinte es nicht böse.
Aber aus ihrer Überraschung hörte ich nur: Du bist nicht klug. Du schaffst das nicht.
Das brannte sich tiefer ein als jede Matheformel.

 

Schon in dieser Zeit schickte man mich mit meinen Eltern zu einer Art „Erziehungsberatung“. Es blieb ergebnislos.

Ein Kind, das sich nicht zuordnen lässt.
Hochfunktional.
Und dabei ein Störfaktor.


Eine pädagogische Vollkatastrophe – mit Bestnoten.


Das klingt nicht nach ADHS, ich weiß.
War’s vielleicht auch nicht nur. Oder eben doch – auf meine Weise.
Geholfen hat es mir jedenfalls nicht.
Kein Schutz. Kein Vorteil. Kein Verständnis.
Gute Noten retten dich nicht, wenn keiner hinsieht.
Später kamen die Schulwechsel.
Zweimal Sitzenbleiben.
Klassenkonferenzen.
Rauswürfe.
Nicht wegen Leistung – sondern wegen allem anderen.
Wegen mir.
Wegen dem, was niemand verstand.
Und ich selbst am wenigsten.


Dann die Sätze:
„Du willst immer im Mittelpunkt stehen.“
„Bewundernswert, wie du dich ständig neu ausprobierst.“
„Du übertreibst. So war das nicht gemeint.“
„Sag doch auch mal was. Du traust dich nie.“
Und immer wieder: „Wir wissen nicht, was mit ihm los ist.“
Und alles stimmte.
Und nichts stimmte.
Denn ich hatte kein Bild von mir – nur Rückmeldungen.
Wenn du nicht weißt, warum du dich verhältst, wie du dich verhältst,
bist du auf Fremdwahrnehmung angewiesen.
Vor allem, wenn du abweichst.


Ich war nicht immer gut darin, unauffällig zu bleiben.
Im Gegenteil: verhaltensauffällig von Anfang an.
Erst viel später lernte ich selbstständig, wie man sich anpasst.
Wie man nicht auffällt.
Wie man „funktioniert“, solange keiner zu tief schaut.
Ich wurde gut darin, nicht negativ aufzufallen –
bis ich auffiel.
Und dann fiel ich tief.
In neue Umfelder. Neue Jobs. Neue Ideen.
Aber das – das gehört in eine andere Folge.


Als Kind hätte ich nicht zuerst eine Erklärung gebraucht –
sondern jemanden, der da ist, wenn es keine mehr gibt.
Der aushält, wenn nichts mehr passt.
Der zuhört, statt mich zu beschreiben.
Und der nicht vergisst:
Es geht nicht darum, was ich war.
Sondern darum, wer ich hätte werden dürfen.

 

Jahre später – längst erwachsen – wollte ich mein Abitur nachholen.
Die Frage meiner Mutter war nur eine von vielen: „Bist du dir wirklich sicher,

dass du das schaffen kannst?“

 

 

Weiterlesen: Nach Schmidt & Haubich

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