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Am Anfang war alles laut. Ich habe es nur nicht gehört.

ADHS und Partnerschaft: Lautstärke, Hunde und übersehene Signale

Illustration: Mann mit Labrador und Schäferhund auf dunklem Waldweg, friedliche Stille, ADHS-Blog Tiere und Nähe.

Manche Texte erklären nichts.
Sie zeigen nur, was Reiz bedeutet, wenn Sprache nicht mehr stoppt. Für Menschen mit ADHS – aber auch für alle, denen Stille manchmal heilig ist.

Steffi hatte zwei Hunde. Muckel und Chappel. Oder Mogli und Charlie. Ihre Namen wechselten, je nach Laune. Was blieb, war das Chaos. Zwei Leinen. Zwei Hunde, die zogen. Und eine Stimme, die ununterbrochen redete.


Ich hatte damals nicht viel Erfahrung mit Hunden. Nur eine große Zuneigung. Ich sah, wie die beiden an der Leine rissen, kläfften, nicht hörten – und dachte trotzdem: lieb. Vielleicht, weil ich Steffi mochte. Vielleicht, weil ich zu wenig gespürt habe, was mir guttut.


Anfangs war die Welt rosa. Ich wunderte mich nur leise über Steffis Tonfall. Diese hohe, fiepsige Stimme, mit der sie mit den Hunden sprach. Ohne Pause. Kommandos, Verniedlichungen, Schimpfen, Bitten. Alles in einer Oktave, die tief ins Ohr kroch und nicht mehr rauskam.
Irgendwann sprach sie so auch mit mir.


Ich: „Warum redest du so mit mir?“
Sie: „Das ist ein Liebesbeweis. Andere Pärchen reden auch so.“
Ich: „Wir sind kein anderes Pärchen. Ich finde das respektlos, wenn es Alltagston wird.“
Sie: „Du bist einfach zu empfindlich.“
Ich: „Und du bist zu laut.“
Dann lachten wir. Kurz. Und es blieb trotzdem.

 
Sie konnte nicht anders. Oder sie wollte nicht. Ich weiß es nicht.

Die Tonlage blieb. Die Verniedlichungen wurden mehr. Die Sätze wurden kürzer. Die Inhalte kindlicher. Als hätte sich zwischen uns ein neues, piepsiges System installiert, das nicht mehr aufhören wollte zu senden.


Ich zog mich zurück. Erst innerlich. Dann im Alltag.
Ich ging allein mit den Hunden. Immer öfter.
Über zwei Jahre lang. Einerseits war sie dankbar.
Andererseits: „Du nimmst mir die Hunde weg.“
Ich: „Ich geb ihnen nur Luft.“ 
Sie: „Du willst mich ausschließen.“
Ich: „Ich will nur Ruhe.“
Sie: „Mit mir ist es nie ruhig, oder was?“
Ich: „Nicht so, wie ich es brauche.“
Sie nickte. Oder zuckte. Ich weiß es nicht mehr.

 

Ich blieb, weil ich unsicher war. Ich fühlte viel – aber ich traute mir nicht.
Die Hunde waren ein Halt.
Vielleicht hatte ich rückwirkend betrachtet mehr Angst, Charlie und Muckel zu verlieren – als davor, bei ihr zu bleiben.

 
Ich bin Lehrer. Hatte oft früher Feierabend – sagt man.
Ich arbeitete abends oder nachts.
Tagsüber nahm ich Muckel und Chappel.
Allein. Ohne Steffi. Sie arbeitete noch.
Und zum ersten Mal war es ruhig. 
Kein Gezerre. Kein Gebell. Keine Stimme, die in Dauerschleife versuchte, Kontrolle durch Sprache zu ersetzen. Nur wir drei. Ich sprach nur, wenn es nötig war. Und die Hunde hörten. Und ich hörte auf sie.


Manchmal sahen wir uns nur an – und verstanden uns. Ohne Befehl. Ohne Spielstimme.
Wir gingen zu dritt. Still.
Kein Streit. Kein Stress. Nur Natur.
Drei Freunde, die sich gegenseitig nicht erklärten.
Aber es waren ihre Hunde.


Charlie war immer der Clown. Zumindest für Steffi.
Ein Mischling aus allem – mit etwas „Kampfhund“ und Labrador.
Immer unter Feuer. Immer angespannt. Immer „lustig“.
Ich sah ein sensibles Wesen.
Vielleicht ein „ADHS-Hund“. Vermenschlicht.
Viele Reize, schnell überfordert. Laute Reaktion.
Aber auch liebevoll. Rücksichtsvoll. Auf Beständigkeit bedacht.
Auf seine Art. In seinem Rhythmus.
Muckel war der ruhige Alpharüde. Ein Schäferhund-Mischling. Groß, still, wach - aber nicht bei Steffi. 


Ich habe oft gesagt, was ich fühle. Dass ich den Ton nicht ertrage. Dass ich mich darin verliere. Je klarer ich wurde, desto höher wurde ihre Stimme. Vielleicht war das ihre Art, Halt zu suchen. Vielleicht war es etwas, das sie nicht mehr abstellen konnte.
Ich wusste nur: Ich halte es nicht mehr aus.


Ich habe Schluss gemacht.
Ich ging – aber ich weiß bis heute nicht, ob das der ehrlichere oder bequemere Weg war.


Die Hunde wussten, wann es still genug war, um zu vertrauen.
Ich glaube, mein Nervensystem auch.

 


(ADHS ist das Echo, das länger redet als der Mensch.)

 

 

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