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Mann und Maus – beide im Hyperfokus (Teil 2)

Bevor es losgeht: Das hier ist Teil 2 meiner Mausgeschichte. Er funktioniert auch allein. Aber wenn du Maus Nummer eins und zwei noch nicht kennst – lies zuerst dort, dann fügt sich mehr zusammen.

 

Zwei Mäuse. Viel Nähe. (Teil 1)

Mausjagd und ADHS: Von Keksapokalypse und Fallenbau

Zeichnung: Kleine Maus sitzt unter einem Schreibtisch zwischen zwei Füßen in Schuhen.

Viele Jahre später, ich wohnte inzwischen allein in einem kleinen Haus, tauchte die nächste Maus auf. 
 
Diesmal war sie nicht geliefert, sondern einfach da. Ich sah sie anfangs nur als Schatten. Immer am Fußende des Schreibtisches. Irgendwas huschte, aber ich war mir nicht sicher, ob ich Halluzinationen hatte oder einfach zu wenig geschlafen.


Irgendwann sah ich sie richtig. Große schwarze Augen, gespannte Ruhe. „Mus musculus“ (die „Hausmaus“) in Vollpräsenz. Keine Panik, kein Fluchtreflex. Nur ein langes, wortloses Anstarren zwischen Mann und Maus.

 

Anfangs hielt sie Abstand. Lief eng an den Wänden entlang – wohl aus Respekt.
Überall Köttelwege. Ihre Highways durchs Haus.

Manchmal blieb sie einfach stehen. Sah mich lange an.


Meine erste Fang-Idee wertete sie vermutlich als Beleidigung:
Eine Salatschüssel. Ich dachte ernsthaft, das könnte funktionieren.
Natürlich nicht.

Von da an war jeder Respekt weg. Sie lief quer durch den Raum. Und ich war der Idiot.

 

Sie war nicht mehr eingeschüchtert – nur wachsam. Und sie blieb. Leider. Während ich sie bewunderte, verwandelte sie meine Vorratskammer in ein postapokalyptisches Keks-Bunkerlabyrinth.


Konservenregale voll mit Spuren. Köttel auf den Dosen, Nagespuren an den Banderolen.
Keksverstecke hinterm Sofa. Krümelkolonnen unter dem Schreibtisch. Ich begann zu verstehen, wie klug sie war – und wie hartnäckig.

 

Sie legte eigene Vorratskammern an. Trug meine Notreserven von A nach B.

Eine echte Prepper-Maus.


Kammerjäger? Undenkbar. Stattdessen: Baumarktbesuche. Fallenrecherche. Essenspläne. Ich briet Speck, kochte Nudeln, baute Lebendfallen mit Fünf-Gang-Menü. Sie lachte mich aus. Also, innerlich. Ich sah es in ihren Augen. Sie klaute den Käse, ohne die Falle auszulösen.

 

Ich legte doppelte Barrieren an, schloss ein Loch mit Stahlwolle, fand neue Laufwege. ADHS-Hyperfokus 2.0.

 

Kurz vor meiner Motorradreise musste ich irgendwas erreichen. Ich wollte sie nicht im Haus lassen. Ich wollte sie aber auch nicht töten. Wir waren zu weit gekommen. Am Ende schloss ich ein zweites Eingangsloch, verstaute alle Lebensmittel in Boxen und fuhr los. Zwei Wochen später kam ich zurück.


Was ich sah, war eine Maus im Ausnahmezustand. Alle Holzdielenrillen ausgekratzt. Überall Staublinien und Krümelstapel. Ich hörte sie unter dem Boden, wie ein Phantom. Aber sie war da. Immer noch. Und sie hatte gearbeitet. Viel.

 

Die nächsten Tage bestanden wieder aus Fallenbau, Saubermachen, Laufwegverfolgung, Internetrecherche und Respekt. Ich war ein wenig stolz auf sie. Und ich war wieder mittendrin.

 

Im Internet fand ich die üblichen Warnungen: „Wenn du eine siehst, sitzt die Großfamilie in der Nähe.“ Ich hatte Glück. Sie war allein.

 

Meine Recherche ergab: erwachsene Böckchen ziehen es oft vor, solo unterwegs zu sein, statt sich mit anderen Kerlen um Weibchen zu prügeln. Sehr sympathisch.

Vielleicht mochte ich sie deshalb so gern.

Auch, weil sie so hyperfokussiert mein Haus auf den Kopf stellte – rastlos, detailversessen, ohne Pause. Ein Spiegel meiner selbst.

 

Aber am Ende fand ich das dritte Loch. Verschloss es. Und sie war weg.

 

Endlich. Leider.

 

Manchmal denke ich noch an sie. Und an die beiden anderen.

 

 

 

(ADHS-Hinweis: Kleine Maus? Nein. Große Mechanik. ADHS in Reinform – süß verpackt. Es gibt aber eine zweite Perspektive: Ein Problem wird nicht bearbeitet – es übernimmt. Aus einem Schatten wird eine Lebensaufgabe. Tagelang. Nächte voll Fallen, Stahlwolle, Barrieren. Kein Pragmatismus, kein Ende. Nur der Zwang, es lösen zu müssen. Nicht der Kammerjäger hat übernommen, sondern der Hyperfokus. Das ist kein Hobby im Übermaß, sondern Kontrollverlust durch Fixierung. Von außen wirkt es wie übertriebener Eifer. Innen fühlt es sich unausweichlich an. Am Ende war sie fort. Leider.)

 

 

Weiterlesen: Social-Media-Superkraft

ADHS ist nicht nur „süßer Hyperfokus“ mit Bastelwut und Kötteljagd. Was Social Media oft verklärt, habe ich hier aufgeschrieben.

 

oder Teil 1: → Zwei Mäuse. Viel Nähe.

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