Zwei Mäuse. Kein Plan. Viel Nähe. (Teil 1) – Hyperfokus im Alltag
Eine wahre ADHS-Geschichte über Hyperfokus, Tierliebe und freundliches Chaos

Eines Nachts stand plötzlich ein stinkender Käfig mit zwei übergewichtigen Wüstenspringmäusen in unserer studentischen WG-Küche. Nicht heimlich, aber auch nicht wirklich mit Plan. Mein bester Freund und Mitbewohner – frisch getrennt – hatte das Tierdrama seiner Ex irgendwie gleich mitentsorgt. Die Mäuse taten ihm leid, klar. Aber nicht genug, um mehr als diese zwei Sätze zu verlieren:
„Die wollte sie nicht mehr. Die waren ihr zu laut."
Und da standen sie nun. Auf dem Tisch. Im Gestank. Im Leben. Und obwohl offiziell niemand gesagt hatte „Kümmer dich“, war klar: Diese beiden stinken jetzt zu mir. Vielleicht hatte mein Mitbewohner genau das gehofft – still, kalkuliert, liebevoll übergriffig. Vielleicht wusste er: Ich bin der Typ, der nachts Tunnel für Mäuse baut, wenn alle anderen schlafen. Hat er nie gesagt. Musste er auch nicht. Das war sein Plan. Und, zugegeben: Ich bin voll drauf reingefallen.
Was dann kam, war ein Mix aus schlechtem Gewissen (wegen einer Ratte namens Luke in meiner Teeniezeit, die ich leider oft wegen vieler Ablenkungen manchmal vernachlässigt hatte), Mitgefühl und dem klassischen ADHS-Modus: Hyperfokus plus Bastelwut. Innerhalb weniger Wochen verwandelte ich einen neuen und größeren Drahtknast in eine Festung. Zwei getrennte Etagen. Tunnel. Rutschen. Labyrinthe. Die Mäuse hingen sich regelrecht ab – getrennt, denn ich war offenbar der Erste, der bemerkte, dass die beiden Weibchen sich entweder ignorierten oder prügelten. Sozialverhalten auf engem Raum? Schwierig. Kannte ich irgendwoher.
Sie bekamen Auslauf. Einzelbetreuung. Frischkost. Und ja, eine brach sich sogar die Schneidezähne beim Klettern und wurde wochenlang mit Brei gefüttert. Ich saß beim Tierarzt, googelte Mäusenahrung, mixte Menüs, bastelte weiter. Mein Mitbewohner kommentierte das alles mit einem leicht irritierten Dauerlächeln. Ich glaube, auch er hatte nicht mit so viel Engagement gerechnet. Ich selbst übrigens auch nicht. Aber: Ich höre nicht auf, wenn mich jemand braucht. Und genau das triggert mein System. Pflicht plus Emotionalität gleich Tunnelblick deluxe. Und so lebten wir zu dritt in meinem WG-Zimmer. Nicht ganz freiwillig, aber mit Stil – auch wenn ich fortan mit Ohrstöpseln schlafen musste, weil sie nachts aktiv waren. Vielleicht hätten sie auch ohne mich irgendwie überlebt – aber nicht mit solchen Bauwerken!

Ein paar Jahre später tauchte Maus Nummer drei auf – ohne Einladung, schneller, wilder, hungriger. Kurz: eine Keksapokalypse.
Aber das ist eine andere Geschichte – und die erzähle ich dir hier:
(ADHS heißt bei mir: Nicht locker lassen, wenn jemand auf mich angewiesen ist. Nicht aus Prinzip. Sondern weil mein System dann anspringt – und nicht mehr aufhört. Hinzu kommt oft ein gewisses Maß an Kreativität. In diesem Fall: Festungsbau!)
Weiterlesen: → Jamila – geh weg, bleib da ←
Wenn Nähe und Flucht eskalieren – nur diesmal mit Hund.
oder: → Ein Sommertag. Ich könnte. Aber nichts zieht. ←
Vom völligen Fokus zur völligen Antriebslosigkeit – zwei Seiten derselben Medaille.
